Lee Miller

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Ein Artikel von  

Lee Miller

Selbstbestimmt, spontan und unruhig:
Lee Miller und ihre Fotografien 

Lee Miller (1907-1977) zählt zu den faszinierendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Kriegsfotografien gingen um die Welt und sind vielen bekannt.

Lee Miller als Kriegskorrespondentin 1943. Bild: U.S. Army Official Photographderivative work: Svajcr, Public domain, via Wikimedia Commons

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Das Werk der US-Amerikanerin ist aber wesentlich umfangreicher und erstreckt sich über die unterschiedlichsten fotografischen Genres: Surrealistische Arbeiten, Modestrecken, Künstlerportraits, Reisefotografien, den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen.

Millers Leben ist voll von beinahe unglaublichen Ereignissen. Ihre Karriere, zunächst als Fotomodell, begann 1926 mit einem Beinahe-Unfall. Der Mann, der sie im letzten Moment von der Straße zog, bevor ein herannahendes Auto sie erfasste, war Condé Nast, der Verleger der Zeitschriften Vanity Fair und Vogue. Fasziniert von ihrer Ausstrahlung bot er ihr einen Vertrag als Fotomodell an. Für die Vogue wurde sie in der Folge von so berühmten Fotografen wie Edward Steichen, Nickolas Muray und George Hoyningen-Huene abgelichtet.

1929 zog es die für ihre spontanen Entschlüsse bekannte Lee Miller zu den Surrealisten nach Paris. Die Fotografie erlernte sie bei Man Ray, mit dem sie auch eine Weile liiert war. Die gemeinsamen Fotoprojekte der beiden sind auch heute noch beachtenswert, insbesondere die Arbeiten zur Solarisation.

Im folgenden Video gibt Anthony Penrose, Lee Millers Sohn, einen Einblick in Millers Beziehung zu Man Ray:

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Bereits 1931 war sowohl die Liebes- als auch die Arbeitsbeziehung beendet und Lee Miller machte sich als Fotografin selbstständig. Sie fotografierte für die Modezeitschrift Vogue und stand selbst als Modell vor der Kamera. 1932 kehrte sie nach New York zurück und eröffnete ihr eigenes Fotostudio.

Unruhiger Geist, der sie war, zog sie schon 1934 weiter nach Ägypten, der Liebe zu dem Geschäftsmann Aziz Eloui Bey wegen, den sie auch heiratete. Ihre ägyptischen Fotografien der Ruinen, Tempel und Pyramiden sind stark beeinflusst vom Surrealismus. 1937 begegnete sie dem frisch geschiedenen und ebenfalls vom Surrealismus geprägten Künstler, Kunsthistoriker und Kunstsammler Roland Penrose und verliebte sich in ihn. Gemeinsam bereisten die beiden in den Folgejahren Europa. In dieser Zeit entstanden viele Fotografien und gemeinsame Projekte. Beide lernten Pablo Picasso kennen, der insgesamt sechs Portraits von Lee Miller malte.

Lees Ehe mit Aziz Eloui Bey endete 1939. Sie zog gemeinsam mit Penrose nach London. Das gemeinsame Haus in London wurde für viele Jahre zum Intellektuellen-Treffpunkt und beherbergte zeitweise den Time-Life Fotografen  Fotograf David E. Scherman und die Journalistin Kathleen McColgan.

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Sechs Kriegsberichterstatterinnen, die während des Zweiten Weltkriegs über die US-Armee in Europa berichteten, sind auf diesem Foto von 1943 zu sehen: Mary Welch, Dixie Tighe, Kathleen Harriman, Helen Kirkpatrick, Lee Miller, Tania Long (U.S. Army Center of Military History). Bild: U.S. Army Official Photograph, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Lee Miller offizielle Kriegsfotografin der Vogue. In den Folgejahren dokumentierte sie, häufig gemeinsam mit David E. Scherman, den Angriff der deutschen Luftwaffe auf London, den ersten Napalm-Einsatz in der Schlacht um Saint-Malo und die Befreiung von Paris. Sie war bei dem Zusammentreffen von sowjetischen und amerikanischen Truppen in Torgau ebenso dabei wie bei der Einnahme von Adolf Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg.

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Am 30. April 1945, dem Tag von Hitlers Selbstmord, fotografierte David E. Scherman das wohl berühmteste Portrait von Lee Miller, auf dem sie nackt in der Badewanne von Adolf Hitler in dessen Münchner Wohnung liegt.  Zuvor hatten Scherman und Miller als einige der der ersten Fotografen die Befreiung und die Verbrechen in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald dokumentiert.

Einige Fotografien aus dieser Zeit - auch das Bild in der Badewanne - kann man in dieser Fotostrecke des SPIEGEL aus 2015 sehen. Im folgenden Video des Museums Albertina in Wien gibt es weitere Eindrücke:

Die Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und insbesondere die in den Konzentrationslagern gesehenen Gräuel führten bei Lee Miller zu dem, was heute unter dem Namen Kriegspsychose oder besser posttraumatische Belastungsstörung bekannt ist. Sie erholte sich nie wieder davon.

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Farley Farm House im Jahr 2011. Bild: Simon Harriyott from Uckfield, England, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

1947 heirateten Lee Miller und Ronald Penrose. Im gleiche Jahr kam ihr Sohn Anthony zur Welt, dem später die Bewahrung und Aufarbeitung von Lees Werk zu verdanken sein sollte. Die Familie zog in das Farley Farm House in Chiddingly.

Lee Miller zog sich weitgehend aus dem Berufsleben zurück. Die Bilder aus dem Krieg ließen sie nicht los. Darüberhinaus musste sie mehrfach Befragungen des britischen MI5 über sich ergehen lassen, da sie unter dem Verdacht stand, eine sowjetische Spionin zu sein.

In der Folge erkrankte Lee an Depressionen und begann zu trinken. Am 21. Juli 1977 starb sie an den Folgen einer Krebserkrankung.

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In den 1980er Jahren begann Lees Sohn Anthony Penrose mit der Verwaltung und Aufarbeitung ihres Nachlasses. Farley Farm House ist heute ein Museum, in dem die umfangreiche Kunstsammlung von Lee Miller und Ronald Penrose ebenso ausgestellt ist wie ihre eigenen Werke.

Wer Farley House einen Besuch abstatten möchte: Das Museum ist  von April bis Oktober Donnerstags und Sonntags geöffnet. Zur Zeit ist vorab eine Onlinebuchung notwendig. Alle weiteren Informationen gibt es auf der Webseite von Farley House

Zum Abschluss noch ein letztes Video, eine Dokumentation vom 10.09.1946 mit dem Titel "Ein Tag mit der Pressefotografin Lee Miller". Dankenswerterweise wurde das Video auf YouTube von British Paté eingestellt. British Pathé gilt heute als das beste Wochenschauarchiv der Welt und ist eine Fundgrube von 85.000 Filmen, die in ihrer historischen und kulturellen Bedeutung unübertroffen sind.  

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Ein Artikel von:
Anja Anton-Hoenen und Bettina Löffler
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